Ich muss mir heute mal was von der Seele schreiben, weil ich in den letzten Wochen und Monaten leider erneut sehr häufig darüber stolpere. Als übergewichtiger Mensch wird man ja immer wieder mit dem Thema „Vorurteile gegen Übergewichtige“ konfrontiert. Man sei „zu faul oder zu blöd zum Abnehmen“, man müsse „ja nur ein wenig mehr Sport machen“ oder sich „nur gesünder ernähren, dann nimmt man von allein ab“. Dazu ist folgender Beitrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sehr lesenswert: Doppelte Last – Übergewichtige Menschen werden durch Mitbürger abgelehnt.
Wüsste ich all diese Dinge nicht, hätte ich „Dick, aber nicht doof“ nie gegründet. Ich weiß, welche Lebensmittel gesund sind. Ich weiß auch, dass es mir gut täte, täglich ein wenig Sport zu machen. Das es das Wissen allein nicht ist, weiß glaube ich jeder, der ein paar Kilos (oder auch mehr) zu viel auf den Rippen hat. So einfach, wie sich das die Menschen mit einem gesünderen Stoffwechsel vorstellen, ist es nämlich leider nicht. Auch wird dabei nie beachtet, dass es ja nicht allein der Wille ist, der hier Einfluss nimmt. Auch gesundheitliche Schwierigkeiten können Zunahmen erleichtern und das Abnehmen erschweren.
Gründe für mein Übergewicht
Meine ärgste Gewichtszunahme war beispielsweise eine Verkettung mehrerer Ursachen in meiner späten Jugend. Ich hörte mit dem Leistungssport auf und ernährte mich (noch) schlechter als vorher. Dies war teilweise von außen bedingt, da ich in dieser Zeit nur bedingt Einfluss auf das hatte, was ich zu essen bekam. Zudem wurde meine Schilddrüsenunterfunktion nicht erkannt. Ich glaube, wäre es nur eine dieser Änderungen gewesen, wäre ich (zumindest vorerst) weiterhin mit meinen 5-10 kg zu viel durchs Leben gewandert. Später kamen dann natürlich auch die selbst verschuldete ungesunde Ernährung und die zu geringe Bewegung hinzu. Deshalb muss ich eingestehen, dass meine Adipositas (Was versteht man unter Adipositas?) zu großen Teilen selbst verschuldet ist.
Vorurteile gegen Übergewichtige
Nun ist es aber ja so, dass wir versuchen, vorurteilsfreier zu leben und auch Inklusion als wichtiger Punkt in unserer Gesellschaft immer mehr Bedeutung findet (zum Glück). Wieso wird unseren Kindern in der Kita oder auch von ihren Eltern immer noch beigebracht, dass gesunde Ernährung und Sport ausreichen, damit man nicht dick wird? Dadurch impliziert man doch, dass es keine anderen Ursachen für Übergewicht gibt? Ich kenne sehr viele Menschen, bei denen gesundheitliche Gründe mindestens mitursächlich sind. Dazu zählen Schilddrüsenprobleme, Lipödem, Erkrankungen, bei denen Medikamente genommen werden, die Übergewicht fördern usw. Auch kenne ich sehr viele Personen, die übergewichtig sind, sich aber gesund ernähren und viel bewegen, aber dennoch nicht abnehmen.
Obwohl uns also daran liegen sollte, Vorurteile abzubauen, wird schon kleinen Kindern beigebracht, dass Dicke ja nur gesünder essen und sich bewegen müssten.
Beispiele
Ich beschreibe hier nur drei Beispiele, könnte aber noch viele mehr benennen.
Beispiel 1
Unser Sohn kommt oft aus der Kita nach Hause und sagt mir „Mama, du musst mal gesünder essen, dann bist du nicht mehr so dick“ oder „Mach mal Sport, dann musst du nicht mehr so dick sein“. Den Kindern beizubringen, was gesunde Ernährung ist, finde ich vollkommen richtig. Aber gleichzeitig zu vermitteln, dass Dicke nur dadurch und Sport automatisch dünner werden, finde ich falsch.
Beispiel 2
Auf dem Spielplatz sagte mal ein Kind zu mir, dass ich ja nur zu faul sei, Sport zu machen und deshalb dick sei. Man beachte, dieses Kind war vielleicht 5 oder 6 Jahre alt.
Beispiel 3
Am Sonntag durfte ich auf einer Restauranttoilette ein Gespräch belauschen zwischen einer Mutter und ihren beiden Töchtern. Die eine Tochter meinte, sie sei zu dick. Daraufhin reagierte die Mutter mit der Aussage, dass sie es nicht sei, wie sie darauf komme. Danach betonte sie, dass sie doch gesund äßen und sich auch viel bewegen würden. Die Tochter meinte daraufhin, dass sie aber ja nicht mehr im Turnverein sei. Die Mutter bot an, dass sie dort ja wieder starten könne.
Damit unterstützt sie meiner Meinung nach aber eben genau dies. Die Tochter glaubt doch jetzt, dass sie vielleicht doch zu dick sei, weil die Mutter direkt den Turnverein als Option anbot. Aus meiner Sicht wäre es richtig gewesen, in diesem Fall zu betonen, dass sie keinesfalls zu dick sei. Dann hätte sie ergänzen können, dass sie das Turnen nur des Spaßes wegen machen könne. Bei normalgewichtigen Kindern sollte Sport doch nicht betrieben werden, um nicht zuzunehmen oder sogar abzunehmen.
Fazit
Solange den Kindern beigebracht wird, dass Übergewicht nur durch gesunde Ernährung und regelmäßigen Sport verhindert wird und nicht auch beleuchtet wird, dass es eben auch andere Ursachen haben kann, wird es leider weiterhin Vorurteile und abwertende Blicke geben. Wenn sogar schon Klein- und Vorschulkindern beigebracht wird, es sei ok, andere Menschen zu beleidigen, finde ich es schrecklich.
Für mich beantworte ich die im Titel gestellte Frage deshalb leider mit einem JA. Ich hoffe aber immer noch, dass wir sie irgendwann mit „nein“ beantworten können.
Bildquelle: Brendacfeyc via Pixabay
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